Wege zu einer modernen Führungskultur

Die Problematik der Qualitätsbeurteilung und Leistungsförderung an den Universitäten ist ein vielschichtiger und nicht unproblematischer Fragenkreis. Im Zuge von Globalisierung, internationalem Wettbewerb, New Public Management und generell härteren Rahmenbedingungen erhält er höchste Aktualität. Dabei ist vor doktrinärer Einseitigkeit schon im Grundsatz zu warnen. Ähnlich der Problematik eines übertrieben eindimensional ausgerichteten Zielstrebens in Unternehmungen gilt es, die Anwendung dem menschlichen Gesamtdenken zuwiderlaufender, allzu einseitiger Leistungsmassstäbe zu vermeiden.

VON RUDOLF VOLKART

Die Leistungserbringung von universitären Fakultäten, die sich meistens aus Abteilungen, teils auch Departementen, Instituten bzw. Kliniken sowie Lehrstühlen mit all ihren Angehörigen zusammensetzen, erstreckt sich auf die vier Hauptaktivitätsfelder Lehre, Forschung, Dienstleistungen und Weiterbildung. Dies gilt ganz besonders ausgeprägt für die Wirtschaftswissenschaften, aber auch etwa für die Medizin oder die rechtswissenschaftliche Disziplin.

 
Emotionale Intelligenz und kulturelle Kompetenz sind in der heutigen Welt und damit in der Ausbildung wichtiger denn je.

Zentrale Bedeutung der Forschung

Bei der Bildung einer Prioritätenordnung ist man geneigt, der Forschung die höchste Bedeutung zuzuordnen. So wird mit der Messung des Indikators «Anzahl Zitierungen» etwa versucht, einen groben Eindruck von der Qualität, das heisst von Niveau und Ausstrahlung, des so wichtigen Forschungsbeitrages zu gewinnen. «Publish or perish» heisst es im angelsächsischen Bereich akzentuiert. Forschung ist für eine Universität gerade auch im Rahmen der Abgrenzung zu den neu aufblühenden Fachhochschulen von zentraler Bedeutung. Sie stützt und befruchtet auch massgeblich die Lehre, die Weiterbildung und die Erbringung (fachbezogener) Dienstleistungen.

Lehre, Weiterbildung und Dienstleistungen

Das Unterschätzen der neben der Forschung stehenden Aufgabenelemente wäre indessen verhängnisvoll, eine zu einseitige Prioritätenbildung engstirnig. Die beschriebenen, ganz unterschiedlichen Aktivitätsbereiche greifen vielfältig ineinanderüber. So wirkt sich zum Beispiel ein angemessenes Dienstleistungsangebot ausserordentlich befruchtend auf Forschung und Lehre aus, macht sie zum Teil erst möglich.

In den Lehrbereichen kommt einer inhaltlich und kommunikationsmässig erstklassigen Aus- und Weiterbildung grösste, ja existentielle Bedeutung zu. Und dies im einzelwirtschaftlichen wie auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Entsprechende Ausbildungskapazitäten sollen für Wirtschaft, Verwaltung und andere Abnehmergruppen «vor Ort» verfügbar sein. Dies erfordert gerade auch auf Hochschulniveau ausgeprägt lehrtalentierte, motivations- und begeisterungsfähige Persönlichkeiten. Neben dem intellektuellen sollte vermehrt der emotionale Zugang der Studierenden zu den Stoffinhalten gefördert werden. Die Hochschullehrer haben sich in vermehrtem Masseüber sehr hohe soziale Kompetenz auszuweisen. Die vom bekannten Basler Psychologen Gerhard Steiner geforderten «big five» «Extraversion», «emotionale Stabilität», «Offenheit gegenüber Erfahrungen», «Gewissenhaftigkeit» und «Verträglichkeit» wären für Universitätsangehörige besonders notwendige Persönlichkeitsmerkmale.

Teamausrichtung als Erfolgsfaktor

Den beschriebenen Aufgabenfächer findet man nur selten als ausgeprägte Fähigkeitspotentiale in einzelnen Personen vereint. Auch präsentieren sich die individuellen persönlichen Neigungen sehr unterschiedlich (bedenklich ist allerdings, wenn in keinem der verschiedenen Anforderungsbereiche Überdurchschnittliches geboten wird). Durch geschickte Teambildung innerhalb der Fachdisziplinen ist deshalb unbedingt für einen optimalen Kompetenz-Mix zu sorgen. An den grossen «Departments» führender amerikanischer Hochschulen stellt dies beispielsweise eine Selbstverständlichkeit dar.

Die zunehmenden Ressourcenengpässe und die teilweise Überbelastung an unseren Fakultäten machen die Erfüllung dieser hier erst recht wichtigen Forderung vielerorts nicht eben leicht. Zudem ist das gegenwärtige Wirtschaftsklima den universitären Anliegen auch nicht gerade förderlich.

Forderungen, Realität und Sachzwänge

Die weltweite Verschärfung des Wettbewerbs und ein genereller Wertezerfall gehen auch an der Hochschulwelt nicht spurlos vorbei. Strukturwandel und Rezession, Staatsbudgetabbau und Sparzwang sowie das Aufbrechen traditioneller Beziehungsnetze hinterlassen deutliche Spuren. In der Schweiz, zum Beispiel an der Universität Zürich, fällt dies zeitlich mit einer zunächst hoffnungsvoll aufgeblühten «Aufbruchstimmung» im Zusammenhang mit der Universitätsreform zusammen. Erstere erscheint für eine durchgreifend erfolgreiche Verwirklichung einer autonomeren Universitätsführung entscheidend, ist hier doch ein verstärktes Selbstengagement jedes Einzelnen gefordert.

Die Realität sieht indessen heute, auch optimistisch betrachtet, manchenorts anders aus. Missgunst grassiert, Toleranzfähigkeit schwindet, und Neid und Aggressivität nehmen zu. War an vielen Wirtschaftsfakultäten des deutschsprachigen Raums beispielsweise die Rivalität zwischen bestimmten Fachgruppen eine fast traditionelle, fortschrittshemmende Realität, so scheint der gegenwärtige Verteilungskampf um die knapper werdenden Ressourcen Standpunkte und Gegensätze noch zu verhärten. Fachliche Arroganz, fundamentalistisches Gebaren und Verkennung der Leistung Andersdenkender sind typische menschliche Verhaltensmuster, welche das heutige Klima leider teilweise prägen.

Gefahr der akademischen Einseitigkeit

Was zu kurzsichtig gelebte Gewinnorientierung heute für die Wirtschaftpraxis bedeuten mag, scheinen einseitige, zum Beispiel in Form schmal definierter Leistungsstandards gebildete «Wert»-Vorstellungen für bestimmte Hochschulkreise zu sein. Dabei wurden gerade in der angelsächsischen Welt zunehmend kritische Stimmen gegen eine zu einseitige Beurteilungsphilosophie laut. Eine zum Beispiel nur an Publikationsziffern ausgerichtete Performance-Messung ist so gesehen als bedauerliche Eindimensionalität zu werten.

Neben einem streng definierten Forschungsoutput gibt es eine Vielzahl zentraler Beurteilungsmerkmale, denen gebührende Beachtung zu schenken ist: Lehrertalent, soziale Kompetenz, «Charakter» im weitesten Sinne, Motivationsfähigkeit, universitätsinternes und -externes Engagement, Menschlichkeit, aber auch Fähigkeitspotentiale zur Dienstleistungserbringung aller Art, dabei vor allem der Transfer des theoretischen Wissens in die praktische Umsetzung.

Ausbalanciert integrale Lehrstuhlpolitik

Was die Personalpolitik an den Universitäten anbelangt, macht es in grösseren Fachgebieten wohl nur wenig Sinn, Lehrstuhlbesetzungen stets streng sequentiell, nach den immer gleichen, zuweilen einseitigen Zielkriterien vorzunehmen. Gefragt ist der Aufbau gut durchmischter Teams! Der egozentrische Einzelkämpfer hat vielerorts ausgedient. «Wir»-Bezug hat an Stelle von «Ich»-Betonung zu treten, gemeinsames Tun hat Vorrang vor Einweg-Vorstellungen.

Vonnöten sind flexibel, tolerant und weitsichtig denkende Menschen, besonnen handelnde Teamplayer mit breitem Horizont und offenem Herzen. Solche möchte man auch den Schweizer Universitäten zur Bewältigung der grossen Zukunftsaufgaben in vermehrtem Masse gönnen. Im Hinblick auf die immer bedeutsamer werdende Gewinnung privatwirtschaftlicher Drittmittel erscheinen diese Überlegungen von besonderem Gewicht.

Emotionale Intelligenz

Im Sinne des Gesagten darf etwa der bekannte Beitrag von Daniel Goleman zur «emotionalen Intelligenz» jedem Hochschulangehörigen zur Lektüre empfohlen werden. Die uns von Goleman besonders nahegelegten Fähigkeitspotentiale in den Dimensionen «Empathie», «Einsicht», «Kommunikation» und «persönliche Verantwortung» erscheinen heute nötiger denn je. Dies gilt für die in der modernen Forschung Tätigen gleichermassen wie für alle Einsatzbereiche des lehrenden Dozenten.

Dabei geht es neben der eigenen Entfaltung der beschriebenen Fähigkeiten insbesondere um deren Förderung bei den Auszubildenden. Einfühlungsvermögen, Einsichtigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Freude an der Übernahme persönlicher Verantwortung sind in der heutigen Welt wichtiger denn je. Und «kultureller Kompetenz» kommt gerade im internationalen Kontext im weitesten Sinneüberlebenswichtige Bedeutung zu.


Dr. Rudolf Volkart (volkartr@isb.unizh.ch)ist ordentlicher Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich; er leitet die Projektgruppe «Ressourcenbewirtschaftung» im Rahmen des Reformprojekts «Uni2000».


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Nicolas Jene (
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Last update: 09.07.97