Magazin der Universität Zürich Nr. 2/97

Neue Sichtbarkeiten mit dem Rasterkraftmikroskop

Anfang der 80er Jahre wurde von Heinrich Rohrer und Gerd Binning im Forschungslabor der IBM in Rüschlikon das Rastertunnelmikroskop entwickelt, mit dessen Hilfe sich Moleküle und Atome abbilden lassen. Da sich das Rastertunnelmikroskop jedoch hauptsächlich für die Untersuchung von nicht-biologischen Objekten mit leitfähiger Oberfläche eignet, ist in den folgenden Jahren ein modifiziertes Instrument – das Rasterkraftmikroskop – entwickelt worden. Damit lassen sich auch biologische Proben bei hoher Auflösung untersuchen.

VON PETER GROSCURTH

Ein Rasterkraftmikroskop funktioniert im Prinzip wie der Tonabnehmer eines Plattenspielers, jedoch mit viel höherer Empfindlichkeit. Man verwendet zum Abtasten der Probenoberfläche eine extrem dünne Spitze, zum Beispiel aus Silizium, mit einem Durchmesser von einigen Tausendsteln Millimetern (mm), die an einer weichen Feder befestigt ist. Die Sonde wird mittels eines Schrittmachermotors vorsichtig der Probenoberfläche genähert. Die zwischen der Spitze und der Probe sich entwickelnden teils anziehenden, teils abstossenden molekularen und atomaren Kräfte – zum Beispiel elektrostatische Kräfte oder Van-der-Waals-Kräfte –, die in einem Bereich von 10-7 bis 10-11 Newton liegen, führen zu einer geringen Verbiegung der Feder. Diese in der Regel nur einige Tausendstel Millimeter betragende Ablenkung wird über einen Laserstrahl auf eine Fotodiode übertragen.

Die Sondenspitze wird nun mittels hochempfindlicher piezoelektrischer Scanner in x- und y-Richtung bewegt. Über einen Rückkopplungsmechanismus wird die Kraft zwischen Sondenspitze und Probe konstant gehalten; aufgezeichnet wird die Veränderung der Sondenspitze in vertikaler Richtung, welche die Topographie der Probenoberfläche widerspiegelt. Das fertige Bild wird durch zeilenweise Addierung der x-, y- und z-Koordinaten über einen Computer auf dem Monitor angezeigt.

Bildung und Zerfall online darstellen

Das Auflösungsvermögen des Rasterkraftmikroskops liegt für biologische Objekte im Bereich von 10 bis 100 Millionstel Millimetern (Nanometer), das heisst in einem ähnlichen Bereich wie bei der schon seit vielen Jahren etablierten Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie. Die konventionelle Elektronenmikroskopie hat jedoch den Nachteil, dass die Proben nur in einem Vakuum, in dem sich der Elektronenstrahl ausbreiten kann, untersucht werden können; das heisst, die biologischen Objekte müssen fixiert, eingebettet bzw. getrocknet und mit Schwermetallsalzen behandelt werden, bevor sie überhaupt im Elektronenmikroskop angesehen werden können. Diese Präparationsschritte führen natürlich zu diversen Strukturveränderungen, die bei der Interpretation der elektronenmikroskopischen Befunde berücksichtigt werden müssen.

Die Rasterkraftmikroskopie bietet nun den eminenten Vorteil, dass die Proben nicht vorbehandelt werden müssen. So lassen sich biologische Makromoleküle, Zellkompartimente und sogar ganze Zellen in physiologischen Pufferlösungen ohne vorausgegangene Präparation darstellen, ja es können sogar dynamische Prozesse wie Bildung und Zerfall von makromolekularen Komplexen durch wiederholtes Abtasten der Oberfläche online dargestellt werden.

In den folgenden Bildern werden drei Beispiele für den Einsatz des Rasterkraftmikroskopes in der biologisch-medizinischen Grundlagenforschung vorgestellt.

Abb. 2 Abb. 3
Abb. 4 Abb. 5

Innenstruktur einer Nierenepithelzelle

Abbildung 2 zeigt die Innenstruktur einer Nierenepithelzelle. Die Zelle wurde auf einem Glasplättchen, dessen glatte Oberfläche in der rechten oberen Bildhälfte noch zu erkennen ist, gezüchtet. Anschliessend wurde die Zelle aufgebrochen; Kern und Zellorganellen wurden entfernt, um das Zellskelett und die dem Zytoplasma zugewandte Seite der Zellmembran darzustellen. Deutlich erkennt man das komplexe Netzwerk aus dünnen fadenförmigen Zellskelettmolekülen, welche die Membran unterlagern.

Bei höherer Vergrösserung (Abbildung 3) sind zudem zahlreiche kugelförmige Strukturen zwischen den Zellskelettsträngen zu erkennen. Sie entsprechen einerseits Verbindungsmolekülen zwischen Zellskelett und -membran und andererseits in der Membran verankerten Proteinen. Mit Hilfe der Rasterkraftmikroskopie lässt sich somit die Lage von Makromolekülen, wie zum Beispiel Transportproteinen der Zellmembran, genau bestimmen.

Substrukturen von GroEL-Molekülen

Auf Abbildung 4 sind sogenannte GroEL-Moleküle zu erkennen, die zur Gruppe der Chaperone gehören und in vivo für die Faltung und Anordnung von Proteinen verantwortlich sind. Die Moleküle wurden aus Zellextrakten isoliert, gereinigt und auf extrem flache Glimmerplättchen übertragen. Mittels Rasterkraftmikroskopie lassen sich Substrukturen der Moleküle in 3-D darstellen. Deutlich kommt zum Ausdruck, dass GroEL-Moleküle aus mehreren Untereinheiten aufgebaut sind, die sich zu ringförmigen Strukturen gruppieren. Die rasterkraftmikroskopische Untersuchung erlaubt eine exakte Vermessung der Moleküle; ferner lassen sich dynamische Strukturveränderungen von GroEL-Molekülen nach Inkubation mit anderen Proteinen (zum Beispiel Enzymen) darstellen, welche Aufschluss über die Interaktion von Molekülkomplexen in der Zelle geben.

Kollagenmoleküle auf bioaktiven Oberflächen

Abbildung 5 zeigt fadenförmige Kollagenmoleküle, die sich auf bioaktiven Oberflächen ansammeln. Auf dem eingefügten Bild ist ein einzelnes Kollagenmolekül zu erkennen. Für diese Studien wurde eine monokristalline Goldoberfläche chemisch so behandelt, dass die Kollagenmoleküle nur an bestimmten Oberflächenmustern haften – ein Verfahren, das für die Herstellung von Biosensoren eine grosse Rolle spielt. Mittels Rasterkraftmikroskopie lassen sich die vorbehandelten Goldoberflächen schnell und effektiv auf ihre Fähigkeit, Biomoleküle zu absorbieren, überprüfen.


Dr. Peter Groscurth (gc@anatomie.unizh.ch) ist ordentlicher Professor für Anatomie am Anatomischen Institut der Universität Zürich.


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Last update: 20.07.97