Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Knotenpunkt für Forschungspartnerschaften

[Wichtige Zusammenarbeit mit Hochschulen]
[Das Paul-Scherrer-Institut (PSI]

Knappe Finanzen zwingen zur Schwerpunktbildung. Die Zeiten, in denen sich die Hochschulen jede noch so teure Anlage leisten konnten, sind vorbei. Das Paul-Scherrer-Institut (PSI), ein interessanter Partner von ETH und Universität auf dem Zürcher Hochschulplatz, wird als Benützerlabor immer wichtiger. PSI-Direktor Meinrad K. Eberle erläutert im Interview mit Stefan Gribi und Martina Märki, wie die Kooperationen funktionieren.

Meinrad K. Eberle (15771 Byte)Meinrad K. Eberle, Direktor des PSI, im Gespräch mit der Redaktion

Eine zentrale Funktion des PSI ist die eines Benützerlabors. Was heisst das für das PSI und was für die Projektpartner?

Wir können etwas anbieten, das für andere von grossem Interesse ist. Spezialisierte Grossanlagen, wie wir sie betreiben, können einzelne Hochschulen heute nicht mehr selber anschaffen. Damit Zusammenarbeiten tatsächlich zustande kommen, müssen unsere Anlagen auf einem Top-Niveau sein. Dies können wir nur sicherstellen, weil wir selber Forschung betreiben. Wer nicht mit einer Anlage arbeitet und sie nur zum Gebrauch zur Verfügung stellt, weiss nicht, wie sie funktioniert. Das PSI ist kein reiner Dienstleistungsbetrieb. Die Projektpartner sind auf uns angewiesen, wir sind auf sie angewiesen. So entsteht eine Situation, bei der beide Partner von der Zusammenarbeit profitieren ­ eine Win-win-Situation. Dies ist in meinen Augen eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Partnerschaft.

Kann jede interessierte Forschungsgruppe die Einrichtungen des PSI auf Wunsch beanspruchen, oder sucht sich das PSI seine Partner aktiv aus?

Die Auswahl ergibt sich aufgrund der Qualitätskriterien. Wir haben für jede Grossanlage ein Forschungskomitee, das Gesuche nach ihrer wissenschaftlichen Qualität beurteilt und die Benutzungszeit zuteilt. Die Nachfrage ist gross. Je nach Gebiet werden 20 bis 70 Prozent der Projekte bewilligt. Die ausgewählten Projektgruppen arbeiten mit dem PSI zusammen, denn sie sind nicht in der Lage, die Anlagen selber zu betreiben. Ideal sind daher gemeinsame Forschungsprojekte mit dem PSI, bei denen auch unsere Leute hochgradig motiviert sind.

Paul Scherrer Institut (16943 Byte)Flugaufnahme: Paul Scherrer-Institut in Villigen, eine Forschungsanstalt des ETH-Bereichs.

Gibt es Prioritäten? Hat ein Projekt der ETH oder der Universität Zürich beispielsweise Vorrang gegenüber einem Antrag einer ausländischen Hochschule?

Nein. Herr und Frau Schweizer haben keinen Vortritt am PSI. Es bestehen keine Kontingente irgendwelcher Art, nicht einmal für die Forscherinnen und Forscher des PSI selber. Qualität ist das erste Kriterium. Das ist internationale Usanz. Wenn Sie diesbezüglich Ausnahmen zu machen beginnen, sind Sie verloren, was die Qualität anbelangt. Natürlich betreiben wir ein aktives Marketing. Wir müssen die besten Partner finden, weil wir nur im Dialog mit der Forscher-Community unsere Anlagen optimal weiterentwickeln können. Für die Spezifikationen der Beamlines der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz (SLS), unsere dieses Jahr von Bundesrat und Parlament genehmigte Grossanlage, die 159 Millionen Franken kosten wird, veranstalten wir mehrere Workshops.

Kostet die Benutzung von PSI-Anlagen etwas?

Es entspricht ebenfalls internationalen Gepflogenheiten, dass man an Forschungsanlagen wie den unseren arbeiten kann, ohne dafür bezahlen zu müssen. Ein anderer Fall tritt dann ein, wenn zusätzliche Einrichtungen gebraucht werden, die bei uns nicht vorhanden sind. Dann müssen Finanzierungslösungen gefunden werden. Industrielle Nutzer der Anlagen sind gebührenpflichtig.

Gibt es aktuelle Projekte am PSI, an denen sowohl die Universität wie auch die ETH Zürich beteiligt sind?

Das PSI führt besonders zahlreiche Projekte entweder mit der Universität Zürich oder der ETHZ durch, häufig in Teams mit weiteren Partnern. Mit der Universität führt das PSI zudem gemeinsam das Institut für Medizinische Radiobiologie, mit der ETHZ bestehen sechs gemeinsame Professuren oder Labors. Eine Zusammenarbeit aller drei Institutionen gleichzeitig ist seltener. Projekte in dieser Dreieckskonstellation gibt es beispielsweise in den Bereichen Pharmazie, Biowissenschaften und Astrophysik.

Wie unterscheidet sich eine Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und mit der ETHZ?

Dass die ETHZ mit dem PSI in der gemeinsamen Struktur des ETH-Bereiches eingebettet ist, macht Kooperationen administrativ wesentlich einfacher. Das ist keine Wertung über die Forschungsqualität. Ich schätze die Kollegen an der Universität Zürich sehr. Die Universität als kantonale Institution hat eine andere Kultur als der ETH-Bereich. ETH-Kollaborationen mit dem PSI kommen daher leichter zustande.

Benützerlabor (26704 Byte)PSI – Benützerlabor mit High-Tech-Grossanlagen: In der Neutronenleiterhalle am PSI bauen Forschungsgruppen der Hochschulen ihre Experimentierapparaturen auf.

Sie haben die Pharmazie angesprochen. Einer Ihrer Mitarbeiter wurde kürzlich zum ordentlichen Professor für Radiopharmazie an die ETHZ berufen. Jetzt gibt es ja an der Universität, wie Sie vorhin erwähnt haben, das gemeinsam mit dem PSI geführte Institut für Medizinische Radiobiologie. Warum kommt die neue Professur für Radiopharmazie an die ETH?

An der ETH gibt es eine Abteilung für Pharmazie. Gewisse Einrichtungen, die Herr Schubiger brauchen wird, sind aber an der Universität. Sie hat beispielsweise ihr Zentrum für Positronen-Emissions-Tomographie ausgebaut.

Sind solche institutionsübergreifenden Strukturen praktikabel?

Sie sind notwendig, weil es finanziell nicht mehr tragbar ist, dass jede Institution alle Einrichtungen hat. Und ich bin überzeugt, dass die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in Zukunft eine noch stärkere Zusammenarbeit erfordern werden. Heute werden in der Schweiz die Einrichtungen im Hochschulbereich nicht überall optimal genutzt. Wandern Sie einmal an einem Wochenende bei uns durch eine Hochschule, und sehen Sie sich als Kontrastprogramm an der Harvard University oder dem MIT um Mitternacht um. Da läuft der Betrieb 24 Stunden. Zu sagen, dass an unseren Hochschulen eine Nine-to-five-Mentalität herrscht, wäre natürlich eine Pauschalisierung. Von einer optimalen Nutzung teurer Einrichtung sind wir in der Schweiz aber noch weit entfernt. Am PSI hingegen laufen die Grossanlagen 24 Stunden am Tag.

Der finanzielle Druck verstärkt die Konkurrenz. Was entgegnen Sie Leuten, die sagen, das PSI entziehe den Hochschulen finanzielle Mittel?

Die Schweiz steht vor der Alternative, das Geld für Forschung einfach zu verteilen oder Schwerpunkte zu setzen. Ich bin überzeugt, dass wir eine konsequente Schwergewichtsbildung brauchen. Es braucht den Mut zum Verzicht. Ich halte nichts davon, Geld mit der Giesskanne zu verteilen. Mit dieser Ansicht stehe ich nicht allein. Der positive Entscheid für die SLS wäre ohne die Unterstützung der Kollegen im ETH-Bereich nie zustande gekommen.

Die Bedeutung des PSI als Benützerlabor wird also zunehmen?

Ja. Mit dem Grundsatzentscheid für die SLS wird das PSI noch stärker zu einem User Lab. Heute setzen wir 45 Prozent der Personalmittel zum Betrieb der Grossanlagen ein. Mit der SLS werden es 55 Prozent sein.

Bestehen Ausbaupläne oder Visionen über die SLS hinaus?

Die SLS wird 2001 in Betrieb genommen. Die Lebensdauer wird 20 Jahre sein. Ich gehe davon aus, dass sich das PSI in den nächsten fünf Jahren nicht mit weiteren neuen Grossprojekten beschäftigen wird. Über die spätere Zukunft gibt es nur vage Vorstellungen. Persönlich denke ich, dass die nächsten grossen Brocken im Gebiet der Astrophysik liegen können. Hier könnten meiner Meinung nach grössere Quantensprünge bevorstehen als beispielsweise in der klassischen Hochenergiephysik. Die Astrophysik ist ein faszinierendes Forschungsfeld, das für uns interessante Kooperationen eröffnen kann.


Wichtige Zusammenarbeit mit Hochschulen

Grafik (16774 Byte)Das PSI leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Doktorandenausbildung der Hochschulen.


Das Paul-Scherrer-Institut (PSI)

Das Paul-Scherrer-Institut (PSI) ist ein multidisziplinäres Forschungsinstitut des Bundes, das zum ETH-Bereich gehört. In nationaler und internationaler Zusammenarbeit mit Hochschulen, anderen Forschungsinstituten und der Industrie arbeitet das PSI in den Bereichen Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchen-Physik, Biowissenschaften, nukleare und nichtnukleare Energieforschung sowie energiebezogene Umweltforschung.

Das PSI ist ein Benützerlabor. Zu diesem Zweck entwickelt, baut und betreibt das PSI komplexe Grossforschungsanlagen, wie Teilchenbeschleuniger, die Neutronenquelle SINQ oder die Synchroton-Lichtquelle Schweiz SLS, die hier der Forschung zur Verfügung stehen. Pro Jahr nutzen heute rund 600 externe Forscherinnen und Forscher die PSI-Einrichtungen für ihre Experimente. Zurzeit entstehen rund 230 Doktorarbeiten in enger Zusammenarbeit von PSI und Hochschulen.

Neben zahlreichen gemeinsamen Forschungsprojekten gibt es auch gemeinsame Institutionen von PSI und ETH Zürich bzw. Universität Zürich. Mit der Universität Zürich unterhält das PSI das Institut für Molekulare Radiobiologie, IMR. Gemeinsam mit den Universitätskliniken konzentriert man sich hier auf Krebsdiagnostik und -behandlung mit Hilfe einzigartiger Teilchenstrahlen. ETH Zürich und PSI führen zusammen das Labor für Neutronenstreuung (LNS). ETH Zürich und PSI sind darüber hinaus über mehrere gemeinsame Professuren verbunden.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 06.01.98