Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Das kosmische Labor

s44-web.jpg (14002 Byte)Die Sonne im Röntgenlicht, aufgenommen am 12. 11. 1991 vom japanischen Yohkoh-Satelliten.

Warum greifen ETH und Universität gemeinsam nach den Sternen? Im Universum finden wir Verhältnisse vor, die wir in Erdlaboratorien unmöglich nachahmen können. So erlaubt das kosmische Labor, sonst unzugängliche Parameterbereiche der Physik zu erforschen. An unserem Institut untersuchen wir die Physik der Sonne und anderer Sterne mit verschiedenen Methoden. Dies sind Beobachtungsprogramme an den weltgrössten Teleskopen auf dem Erdboden wie denjenigen in Chile, Arizona oder auf den Kanarischen Inseln und im Weltraum wie dem Hubble Space Telescope oder dem SOHO-Satelliten. Dazu kommen numerische Simulationen und theoretische Modellrechnungen auf Grossrechnern.

Die verschiedenen Wellenlängen im elektromagnetischen Spektrum eines Sterns werden durch verschiedene physikalische Prozesse erzeugt. Als Beispiel zeigt die Abbildung eine Röntgenaufnahme unserer Sonne. Die Röntgenstrahlung kommt aus den heissen Regionen in der Sonnenkorona. Die äussere Atmosphäre der Sonne, von der die Korona ein Teil ist, wird durch das Magnetfeld der Sonne strukturiert. Wir haben es hier mit der Physik eines magnetisierten Plasmas von mehreren Millionen Grad zu tun. Das Magnetfeld ist verantwortlich für die Aktivität der Sonne. Ausdruck dieser Aktivität sind Phänomene wie die Sonnenflecken. Ähnliche Prozesse finden auch auf Milliarden anderer Sterne statt, aber nur auf der Sonne kann man sie räumlich aufgelöst und detailliert untersuchen.

Ein Forschungsschwerpunkt am Institut ist die Untersuchung des magnetischen Feldes der Sonne. Das Ausmessen der Polarisation der Strahlung in ausgewählten Teilen des Sonnenspektrums erlaubt Rückschlüsse auf Stärke, räumliche Verteilung und Richtung des Magnetfeldes. Da das solare Magnetfeld stark zersplittert ist in eine fast fraktale Struktur, die sich zudem ständig ändert, sind die Anforderungen an die Messapparaturen besonders gross. Mit Unterstützung des SNF konnten wir eine Instrumentierung entwickeln, die Messungen der Polarisation im Sonnenspektrum mit einer Genauigkeit von 0,001 Prozent erlaubt. Das übertrifft die Empfindlichkeit der Instrumente anderer Gruppen um das Zehn- bis Hundertfache. Gegenwärtig ist dieses System am weltgrössten Sonnenteleskop auf Kitt Peak (Arizona) installiert. Im Austausch für den Gebrauch unserer Apparate durch andere Gruppen werden alle unsere Beobachtungswünsche an diesem Grossteleskop befriedigt.

Mit einer polarimetrischen Genauigkeit von 0,001 Prozent erweist sich das gesamte Sonnenspektrum als polarisiert. Wegen Streuprozessen entsteht Polarisation auch in Abwesenheit von Magnetfeldern. Auf der Erde etwa ist das blaue Himmelslicht wegen der Lichtstreuung an Molekülen polarisiert. In der Sonnenatmosphäre finden ähnliche Prozesse statt. Überraschend war aber der extreme Reichtum an Strukturierung des polarisierten Spektrums, vergleichbar dem Reichtum des Intensitätsspektrums mit seinen Millionen von Absorptionslinien, jedoch mit völlig anderen Eigenschaften. Es ist, als sähen wir ein neues Gesicht der Sonne.

Die Erforschung dieses «zweiten Sonnenspektrums» ­ der Streupolarisation ­ hat eben erst begonnen. Die Entdeckung hat das Fenster zu einem neuen Parameterbereich mit völlig neuen diagnostischen Möglichkeiten geöffnet. Durch solche Arbeiten kann auch ein kleines Institut in einem kleinen Land eine führende Position auf einem wichtigen Gebiet der Astrophysik einnehmen.

Jan Olof Stenflo


Jan Olof Stenflo (8820 Byte) Jan Olof Stenflo, Institut für Astronomie der ETH Zürich, ist Doppelprofessor für Astronomie an der Universität und der ETH. Gegenwärtig arbeiten 26 Personen am Institut für Astronomie: ein ordentlicher Professor, vier Titularprofessoren und Privatdozenten und 14 Postdoktoranden und Doktoranden. Dazu kommen noch sechs technische Mitarbeiter und eine Sekretärin. Das Unterrichtsangebot der ETH im Bereich Astronomie steht Studierenden beider Hochschulen zur Verfügung. An der ETH ist Astronomie ein Wahlfach, an der Universität ein Nebenfach.

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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98