Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Tierzucht: Fürsorge und Nutzen

Tierzucht (29779 Byte)Embryotransfer als Biotechnik beim Rind. Empfängerkuh: Braunvieh; Kalb: Fleckvieh.

Die Universität und die ETH Zürich haben beide eine lange und eigenständige Tradition in der Tierzucht. Vor kurzem ist eine Doppelprofessur in Züchtungsbiologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität und an der ETH eingerichtet worden. Den gemeinsamen Lehrstuhl besetzt Professor Gerald Stranzinger, der bisher die Züchtungsbiologie an der ETH, Abteilung Agrar- und Lebensmittelwissenschaften, leitete.

Obschon Betrachtungen und Einstellungen gegenüber Tieren bei Bauer und Tierarzt nicht unterschiedlicher sein könnten und sich im Spannungsfeld von Nutzen für die Tierproduktion und vom Tier als Patienten bei Krankheiten bewegen, müssen sich Fürsorge und Nutzung nicht ausschliessen. In der heutigen Situation der knappen Ressourcen und hohen Personalkosten werden die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verstehen deshalb immer wichtiger.

In den Jahren nachbarschaftlicher Tätigkeiten haben sich viele persönliche Kontakte und gemeinsame Projekte entwickelt, so dass die Zusammenarbeit zwischen den Agronomen und den Veterinärmedizinern bereits gut etabliert ist. Eine «Gemischte Kommission» der ETH, Abteilung Agrar- und Lebensmittelwissenschaften, und der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität gewährleistet beidseitige Konsultationen und Informationen. Besonders gepflegt hat man die gegenseitige Nutzung der Infrastruktur: Tierstallungen, Tiere, Spezialeinrichtungen und Schlachthaus sowie Bibliotheken.

Da es seit längerer Zeit an der Universität keine Professur für Tierzucht mehr gab, beschloss die Veterinärmedizinische Fakultät der Universität, die Betreuung der Studierenden in Tierzucht durch die ETH abdecken zu lassen. Gleichzeitig soll eine kleine veterinärmedizinische Forschergruppe mit Arbeiten über die Genetik bei kleinen Haustieren in die Gruppe Züchtungsbiologie am Institut für Nutztierwissenschaften der ETH integriert werden.

Als Leiter der Gruppe Züchtungsbiologie arbeitet seit 1977 der Zytogenetiker Gerald Stranzinger. Forschungsschwerpunkte sind die Genomanalyse und Genkartierung bei Nutztieren sowie die Genexpression. Auf dem Gebiet der Verhaltensgenetik wird der pränatale Stress bei Ratten studiert, nach Mutationsstellen für bedeutungsvolle Genloci der Krankheitsresistenz gesucht, Reproduktionsgenetik an Spermien durchgeführt, und es werden statistische Studien zur Rekombination und Segregation gemacht.

Für kleine Forschergruppen ist es deshalb vorteilhaft, bestehende Infrastrukturen zu vereinigen und die Zusammenarbeit in Lehre und Forschung zu etablieren. Besonders da heute die Genetiker und Agronomen – zum Beispiel in der Erbfehlerforschung – die wissenschaftliche Unterstützung der Veterinärmediziner aus der universitären Praxis brauchen, um die Ressourcenfamilien mit den jeweiligen Erbfehlererscheinungen anatomisch und physiologisch richtig zu charakterisieren.

In der Ethologie wird die Verhaltensgenetik immer bedeutungsvoller. Sie muss mit molekulargenetischen Methoden unterstützt werden. Auch Haltung, Fütterung und Züchtung von Tieren, ob Haustiere, Zootiere, Labortiere oder Nutztiere, bedürfen der integrierten wissenschaftlichen Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen. Diese Betrachtungsweise muss auch auf die Lehre übertragen werden.

Eine teilweise Vereinigung der Studierenden der Agronomie und der Veterinärmedizin kann sich sicherlich auch positiv auf die fachlichen Auseinandersetzungen auswirken und zum gegenseitigen Verständnis beitragen.

Gerald Stranzinger


Gerald Stranzinger (10588 Byte) Professor Gerald Stranzinger leitet die Gruppe Züchtungsbiologie. Sie bearbeitet alle genetischen Aspekte der Züchtung von Nutztieren, wobei die Genomanalyse und die Expression von Genen für Resistenz-Eigenschaften und Erbfehler im Vordergrund stehen. Die Gruppe hat etwa 30 Mitarbeiter, die rund 50 Stunden Vorlesungen in verschiedenen Abteilungen der ETH betreuen und an 15 Forschungsprojekten beteiligt sind. Die Finanzierung der Projekte erfolgt über ETH-interne, Nationalfonds- und Industrie-Kredite, wobei rund 45 Prozent der Mittel extern bereitgestellt werden.

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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98