Magazin der Universit?t Z?rich Nr. 3/97

Partner für virtuelle Institute

Gew?sser (19681 Byte)Gewässer, hier der Jörisee, sind natürliche Spiegelbilder der Umweltbeeinträchtigung durch Menschen.

Als es 1990 darum ging, die mysteriösen Todesfälle von Alprindern aufzuklären, galt es erstens eine Hypothese zu entwickeln, die die Arbeit in die richtigen Bahnen lenkt, und zweitens wissenschaftliche Partner zu suchen, die die nötigen Fachkenntnisse beisteuern konnten. Die Lösung war ein virtuelles Institut auf Zeit, der interdisziplinäre Zusammenzug von Fachkompetenzen aus der Universität und der ETH Zürich. Das erste virtuelle Institut fand in neuen Konstellationen virtuelle Nachfolgeinstitute zur Abklärung neuerökologischer Fragestellungen.

Die damals entwickelte Hypothese zum Rindersterben ging von einer bakteriellen Vergiftung aus. Es galt nachzuweisen, dass die als Todesursache in Verdacht stehenden Cyanobakterien in den fraglichen Gewässern vorkamen. Und es galt weiter abzuklären, unter welchen Umweltbedingungen sie das tödliche Toxin bilden und ob die bakteriellen Gifte für die bei den Opfern beobachteten pathologischen und klinischen Todessymptome verantwortlich gemacht werden können.

Die nötigen Fachkompetenzen waren leicht zu identifizieren: Sie konnten innerhalb der Universität und der ETH schnell und unbürokratisch mobilisiert werden. Für klinische und pathologische Fragen waren veterinärmedizinische Institute zuständig. Die Registrierung derökologischen Determinantenübernahm das Laboratorium für Atmosphärenphysik der ETH in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt (SMA), die Analyse der gewässerchemischen Inhaltsstoffe das Institut für anorganische Chemie. Die bakteriologischen undökologischen Arbeiten sowie die Gesamtkoordination wurde vom Pflanzenbiologischen und vom Botanischen Institut der Universität wahrgenommen.

Innert kurzer Zeit war eine Forschungsstruktur entstanden, die die notwendigen Fachkenntnisse vereinigte. Es gelang nicht nur, die Hypothese zu bestätigen und damit die Hintergründe des rätselhaften Rindersterbens zu erklären, sondern auch allgemeingültige Erkenntnisseüber ganz neue alpinökologische Fragen aufzugreifen, Fragen, deren Beantwortung im disziplinären Alleingang unmöglich sind.

Das virtuelle Institut hat sich nach der erfolgreichen Bearbeitung des Rindersterbens wieder aufgelöst. Einige Partner haben bereits neue Fragestellungen aufgegriffen und sich in veränderter Konstellation zu neuen virtuellen Instituten auf Zeit zusammengeschlossen. Für die Bearbeitung der alpinökologischen Fragen haben sie sich erfolgreich um Drittmittel bemüht. Die MitarbeiterInnen des neuen virtuellen Institutes stammen aus der ETH, der SMA, der Universität Zürich und zwei weiteren schweizerischen Universitäten. Sie sind zurzeit im Projekt MOLAR (Mountain Lake Research) mit zahlreichen europäischen Forschungsinstitutionen vernetzt.

In Zeiten knapper Ressourcen sind wir aufgefordert, mit weniger Mitteln mehr zu tun. Dazu brauchen wir gute Ideen und sachdienliche strukturelle Flexibilität. Das virtuelle Institut ist in diesem Umfeld entstanden; es orientiert sich an den Forschungs- und Bildungsmöglichkeiten, die aus einem problemfokussierten Zusammengehen verschiedener Träger erwachsen. Es ist virtuell, weil es nicht als Gebäude oder buchhalterische Einheit existiert, sondern sich anlagemässig und auf Zeit konstituiert, dann auflöst oder sich in veränderter Bedürfniskonstellation neu formiert.

Virtuelle Institute sind dank der ihnen eigenen Sachkompetenz flexibel und kostengünstige Umsetzer des universitären Forschungsauftrages. Sie beschäftigen sich mit Fragestellungen an den disziplinären Schnittstellen und fördern damit den Zusammenzug von Wissen zur Schaffung von neuen Erkenntnissen dort, wo detailliertes Fachwissen allein nicht genügt.

Kurt Hanselmann


MOLAR-Team als virtuelles Institut – Universität Zürich: Limnologische Station, Institut für Systematische Botanik, Institut für Pflanzenbiologie/Mikrobiologie, Geographisches Institut; ETH Zürich: Laboratorium für Atmosphärenphysik; sowie zwei Institute der Universität Bern und Neuenburg.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98