Magazin der Universit?t Z?rich Nr. 1/96

Gentherapie des Lungenkrebses

VON UWE ZANGEMEISTER-WITTKE UND ANNEMARIE ZIEGLER

Ziel des vorgeschlagenen Projektes ist die Entwicklung gentherapeutischer Ansätze zur gezielten Behandlung von Lungenkrebs im refraktären Zustand, das heisst in einer Situation in der sich herkömmliche Behandlungsformen wie Chemo- oder Bestrahlungstherapie nicht mehr wirksam einsetzen lassen.

Es soll versucht werden, die bei Krebszellen eingeschränkte Bereitschaft zum programmierten Absterben (Apoptose) als Folge einer zytotoxischen Behandlung durch gezielte genetische Eingriffe wiederherzustellen. Um diese Massnahmen so ausschliesslich wie möglich nur an den Krebszellen vorzunehmen, soll ein Gentransfersystem entwickelt werden, das in der Lage ist, die Krebszellen von gesunden Zellen zu unterscheiden. Das Auftreten wirkstoffresistenter Lungenkrebszellen ist auf eine Vielzahl von genetischen Veränderungen zurückzuführen, von welchen auch das bcl-2 Gen betroffen ist. Dieses Gen erfüllt eine wichtige Funktion bei der Regulierung des Apoptoseverhaltens von Zellen nach zytotoxischer Beschädigung. Bei einer Reihe von Krebserkrankungen einschliesslich Lungenkrebs kommt es häufig zu einer Überproduktion des Bcl-2 Proteins. Dies hat zur Folge, dass trotz starker Beschädigung, beispielsweise durch Chemotherapie, die Bereitschaft der Zellen zur Apoptose verlorengeht. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die übermässige Bereitstellung von Bcl-2 in den Zellen zu unterbinden, wird zur Zeit das apoptotische Potential von «antisense»-Oligonukleotiden untersucht, die komplementär gegen verschiedene Bereiche der bcl-2 mRNA gerichtet sind und aufgrund ihrer geringen Grösse von den Zellen aufgenommen werden. Ausgehend von den Sequenzen der wirksamsten Oligonukleotide sollen im weiteren Verlauf des Projektes definierte "antisense»-Genfragmente verwendet werden, um die kontinuierliche Verfügbarkeit dieser Sequenzen zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen zur Unterdrückung der Bcl-2 Produktion soll auch das therapeutische Potential von bcl-xs, einem Mitglied der bcl-2 Familie, dessen Genprodukt aber im Gegensatz zu Bcl-2 die Apoptosebereitschaft von Zellen unterstützt, bestimmt werden. Zu diesem Zweck ist geplant, das bcl-xs Gen in «sense»- Orientierung in die Zellen hineinzubringen und dort die Bildung des apoptotischen Bcl-xs Proteins zu bewirken. Mit dem Ziel, diese Veränderungen möglichst nur an den Krebszellen vorzunehmen, sollen sowohl bcl-2 «antisense» als auch bcl-xs «sense» mit Hilfe eines selektiven Gentransfersystems in die Zellen hineingebracht werden. Dieses Transfersystem ist ein Fusionsprotein, bestehend aus drei funktionellen Domänen und wird in E. coli hergestellt. Der für die selektive Bindung an die Krebszellen verantwortliche Ligand ist ein Antikörperfragment, das die Bindung an ein epitheliales Antigen vermittelt. Im Vergleich zu Krebszellen sind auf gesunden Zellen nur wenige dieser Antigenmoleküle vorhanden. Die zweite Domäne ist Teil eines bakteriellen Proteins, das die Lokalisierung der genetischen Information im Zellkern unterstützt. Die dritte Domäne schliesslich ist für die Bindung der Nukleinsäuren an das Fusionsprotein verantwortlich. Je nach Art der verwendeten Nukleinsäure ist es entweder eine poly-Lysin Sequenz oder Teil eines eukaryontischen Transkriptionsfaktors. Als eine weitere Massnahme zur Erhöhung der Selektivität soll versucht werden, die therapeutischen Gene der transkriptionellen Kontrolle durch den Promotor des CD24 Antigens zu unterwerfen. Die neuroendokrine Regulierung dieses Promoters lässt vor allem beim kleinzelligen Bronchuskarzinom auf eine noch selektivere Anwendung hoffen. Das vorgeschlagene Projekt soll dazu beitragen, die molekularen und genetischen Grundlagen der Resistenzentwicklung beim Lungenkrebs zu verstehen und ausgehend von diesem Verständnis neue Konzepte zur wirkungsvollen Unterstützung herkömmlicher zytotoxischer Behandlungsformen in der refraktären Situation zu erarbeiten.


Dr. Uwe Zangemeister-Wittke (onkzang@usz.unizh.ch) ist Forschungsgruppenleiter, und Dr. Annemarie Ziegler (onkzieg@usz.unizh.ch) wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Onkologie, Departement Innere Medizin, des Universitätsspitals Zürich.


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Felix Mäder (fmaeder@zuv.unizh.ch)
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Last update: 1-APR-96