Architekturwettbewerb und Gewächshäuser

Die Universität Zürich braucht zusätzliche Gewächshäuser. Mit einer speziellen Art des Architekturwettbewerbes hat man für die neue Gewächshausanlage im Botanischen Garten in Zürich-Riesbach nach Lösungen gesucht. Gewonnen hat die Konkurrenz das junge Architektenduo Tina Arndt und Daniel Fleischmann aus Zürich mit einem kompakten Glaskörper, den ein markantes Zackendach krönt.

VON RODERICK HÖNIG

 
Wie Zellen reihen sich die Pflanzkabinen aneinander. Die asymmetrische Dachform richtet sich nach dem benötigten Luftvolumen der jeweiligen Kabine  
 
Grünes Industrieglas hüllt die Anlage wie ein Mantel ein: Scheint die Sonne direkt hinein, tritt die dahinterliegende Tragstruktur des Hauses in Erscheinung, bei Seitenlicht schimmert der Bau grün.  

Architektur-Wettbewerbe sind eine wichtige Institution in der Schweiz. Vor allem die öffentliche Hand fördert das hiesige Wettbewerbswesen als Veranstalterin und Bauherrin. Der Bund, Kanton oder auch die Gemeinde bekommen als Gegenleistung eine grosse und breite Auswahl an Entwürfen und Ideen für das jeweilige Bauobjekt. Eine unabhängige Jury wählt daraus das beste Projekt aus und vergibt im Normalfall den Auftrag ans Verfasserbüro. Vor allem für junge und unbekannte Architekten ist der Architekturwettbewerb meist die einzige Möglichkeit, an einen grösseren Bauauftrag zu kommen.

Der Gestaltungswettbewerb hat aber auch eine Kehrseite: Er fordert grossen und ungedeckten finanziellen und zeitlichen Aufwand von seiten der Architekten. Denn wer einen Wettbewerbsentwurf erarbeitet, investiert meist mehrere Monate unbezahlte Zeichen- und Denkarbeit und lässt sich je nach Projekt vom Spezialisten noch ein Modell für mehrere tausend Franken bauen. Rechnet man die Arbeitstunden und die Kosten fürs Modell zusammen, kommt man schnell einmal auf Beträge von über 10 000 Franken. Wer keinen Preis gewinnt, sieht dieses Geld nie wieder.

Beim Wettbewerb um die Gewächshäuser im Botanischen Garten der Universität Zürich wurde eine Form des Architekturwettbewerbes angewendet, die sich in der Schweiz erst seit ein paar Jahren etabliert hat: der Gesamtleistungswettbewerb im Präqualifikationsverfahren.

Wettbewerbsentwurf als verbindliches Angebot

Diese Art des Architekturwettbewerbs unterscheidet sich vom oben beschriebenen Verfahren einerseits dadurch, dass sich die Architekten zuerst beispielsweise mit einem Bürolebenslauf, bereits gebauten Entwürfen oder mit ersten Vorprojekten zum Thema bewerben müssen, um überhaupt einen Vorschlag einreichen zu dürfen.

Gleichzeitig müssen sich beim Gesamtleistungswettbewerb Architekten, Spezialisten und Unternehmer zu einem Bauteam zusammenschliessen. Erst dann werden einzelne Gruppen ausgewählt, welche ein pfannenfertiges und vor allem ein auf seine endgültigen Kosten durchgerechnetes Projekt einreichen dürfen.

Der Wettbewerbsentwurf ist in diesem Falle also nicht nur ein gestalterischer Vorschlag, sondern ein verbindliches Angebot betreffend Baukosten und Termine, basierend auf der Leistungsfähigkeit der zusammengeschossenen Unternehmer. Für die Projektverfasser bedeutet dies einen erheblichen Mehraufwand, der bei den Gewächshäusern mit 20 000 Franken pro Team vergütet wurde.

Der Veranstalter, in diesem Falle der Kanton Zürich, hat zwar grösseren Jurierungsaufwand, kann jedoch dank des Präqualifikationsverfahrens faktisch legal auswählen, wer einen Entwurf einreichen kann und wer nicht. Zudem bekommt er verbindliche Angebote, was Preise und Termine betrifft. Durch die Maschen des Präqualifikationsverfahrens fallen aber vor allem junge und unbekannte Büros, die normalerweise weder ähnliche Referenzobjekte noch eine leistungsfähige Bürostruktur nachweisen können.

5 von 28 Bewerbern ausgewählt

Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, denn beim Wettbewerb um die Gewächshäuser war es gerade umgekehrt: Gewonnen hat das junge Büro «architektick» aus Zürich, bestehend aus der 38jährigen Tina Arndt und dem 32jährigen Daniel Fleischmann. Das Büro konnte bis anhin neben kleinen Um- und Anbauten nur ein Niedrigenergie-Mehrfamilienhaus und ein Zweifamilienhaus realisieren. Ihr Projektierungsteam wurde mit vier anderen aus den 28 eingegangenen Bewerbungen für den Gesamtleistungswettbewerb ausgewählt.

Das Wettbewerbsgebiet in der nordwestlichen Ecke des Botanischen Gartens an der Zollikerstrasse ist ein Ort des Übergangs: Die Parzelle liegt einerseits auf der Fläche der alten Gewächshausanlage zwischen Überbleibseln einer his-torischen dörflichen Baustruktur entlang des Wildbachs und einem Park auf der anderen Seite.

 
(Situationsplan) Die kompakte Anlage steht auf dem Geländevorsprung über der Zollikerstrasse und richtet sich nach den alten Häusern entlang des Wildbachs.

Die Aufgabe war, eine Gewächshausanlage mit rund 700 qm Nutzfläche zu entwerfen, wovon für eine erste Etappe, das rund 160 qm grosse Versuchsgewächshaus, ein verbindlicher Pauschalpreis zu offerieren war.

Das steile und schwierige Planungsgebiet bot einige Knacknüsse zu lösen: Wie soll sich das Gewächshaus in die Umgebung einpassen? Von wo soll der Zugang erfolgen? Ausser einem Team, das zwei Anlagen plante, haben alle Verfasser nur ein kompaktes Gewächshausgebäude auf dem Plateau unterhalb des Institutsgebäudes entworfen. So können die alten Mauern und die terrassierten Pflanzflächen erhalten werden, und die Strasse, die zum Universitätsgebäude führt, kann auch gleich zur Erschliessung der neuen Gewächshausanlage genutzt werden.

Laborgebäude oder Pflanzenhaus?

Der Wettbewerbsentwurf von Arndt und Fleischmann bewegt sich zwischen einem traditionellen Gewächshaus und einem hochinstallierten Laborgebäude. Traditionell ist das Material Glas, welches das Traggerüst des Gebäudes rundherum einhüllen soll. Die Architekten schlagen aber kein transparentes Glas vor, sondern Profilit, ein grünliches Industrieglas, das in langen aneinandergereihten Balken verwendet wird. Das Recyclingprodukt erlebt derzeit eine Renaissance und wird immer mehr auch bei repräsentativen Bauten, wie zum Beispiel bei der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur, verwendet. Die einzelnen Pflanzkabinen, die aus der grünen Hülle herauswachsen, stehen dann auf dem mit Kalksandstein ausgefachten Betonstützenskelett des Erdgeschosses.

Das ebenerdige Installationsgeschoss wird von kaskadenartigen asymmetrischen Glassheddächern gekrönt, was dem Haus eine technisch-industrielle Note gibt. Ein oberirdisches Haustechnikgeschoss bietet viele Vorteile: Es braucht dafür wenig teuren und aufwendigen Erdaushub, das Geschoss kann natürlich belichtet und wie jedes andere Geschoss mit Fenstern gelüftet werden.

Die Architekten schaffen im Botanischen Garten eine kompakte, klar strukturierte Anlage, die für die Forschung und den weiteren Ausbau eine grosse innere Flexibilität bietet. Durch die geschickte Plazierung auf dem Geländevorsprung können die bestehenden Gewächshäuser auch nach dem Bau der ersten Etappe weiterbenutzt werden. Anfang 2000 sollte die neue Gewächshausanlage fertig gestellt sein.

 
(Schnitt) Das Gebäude spielt mit dem Gefälle: Der Hauptzugang erfolgt über die obere Ebene, das Installationsgeschoss liegt auf der unteren Ebene.  

Roderick Hönig ist Architekt ETH und Journalist in Winterthur.


unipressedienstunimagazin Nr. 3/97


unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 16.04.99