Zeig mir die «Golden Oldies»

VON CHRISTINE TRESCH

I wott schlafe, i wott stärbe, mit dir wott i alt, fett und glücklech wärde», singt Kuno Lauener im Song «Echo» auf der neusten CD «Super 8» von «Züri West». Auf dem Videoclip zum neuen Album tanzen die Bandmitglieder mit Seniorinnen. Nicht dass just Grossmütter für Lauener schwärmen. Nein, aber Lauener & Co. kommen allmählich in die Jahre, in denen das Älterwerden ein Thema wird, und es nicht bloss die anderen etwas angeht, die eigenen Eltern etwa oder Tanten und Onkels. Der soeben erschienene Seniorenatlas der Schweiz (*) zeigt sogar, dass die 20- bis 24-Jährigen finden, 40-Jährige seien bereits alt, während 65- bis 74-Jährige die Altersschwelle bei 68 Jahren ansetzen. Ob das für Rockstars auch gilt?

Es gehört schon fast zum gu-ten Ton, in diesem «Internationalen Jahr der älteren Menschen», gemeinsame Sache mit den Rentnerinnen und Rentnern zu machen. «Züri West» liegt da voll im Trend mit der Werbebranche, den Reiseveranstaltern und Versicherungen. Wo es alle Spatzen von den Dächern pfeifen, dass wir immer noch ein bisschen älter werden und vor allem besser drauf sind im Alter, werden die Pensionierten vermehrt zu einem ökonomischen Faktor. Wenn sie auch nicht mehr erwerbstätig sein dürfen, die «Golden Oldies» tragen entscheidend zum Bruttosozialprodukt der westlichen Länder bei.

Allerdings ist nicht zu übersehen: auch Binsenwahrheiten überschreiten zuweilen unser Fassungsvermögen. Oder können Sie sich vorstellen, wie es sein wird, dereinst im Ruhestand, der längst nicht mehr mit dem Lebensabend gleichzusetzen ist und auch nicht (mehr) so ruhig ist, wie das Wort dies vorgibt? Werden wir gesund sein, zufrieden oder verbittert und ängstlich einer Welt gegen-über, von der wir gelernt haben, dass sie sich rascher verändert als uns zuweilen lieb ist?

Kommen die längerfristigen Prognosen in Bezug auf den Alterungsprozess der Gesellschaft hinzu. Da ist schon einmal von einer «Rentnerschwemme» die Rede, die uns im nächsten Jahrtausend erwarte oder ein Unwort wie «Langlebigkeitsrisiko» schleicht sich in den Wortschatz ein. Die 68-jährige Heidelberger Gerontologin Ursula Lehr meinte unlängst in einem Spiegel-Spezialheft zum Thema «Jung gegen Alt» lakonisch, bald sei man gezwungen, mit 75 bei Rot über die Ampel zu gehen, um der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen.

Fakten statt Fiktionen sind gefragt, wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht und um Entwürfe, die auch mit älteren Menschen noch rechnen. Die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, die Verschiebung des Verhältnisses von Lebenszeit und Freizeit, hohe Mobilität bis ins Alter und eine für viele RentnerInnen finanziell gesicherte Zukunft stellen völlig neue Ansprüche an die Gesellschaft. Modelle in Richtung Lebensarbeitszeit sind gefragt, wenn in naher Zukunft ein Viertel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein wird.

Aufklärungsarbeit und Weiterdenken stehen also im Zentrum dieses Jahres für ältere Menschen: Aufräumen mit Mythen und Tabus, jüngere und ältere Menschen darüber informieren, wohin die Lebensreise geht, PolitikerInnen dafür sensibilisieren, dass sich mit den Ängsten älterer Leute nicht einfach taktieren lässt.
Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass die AusländerInnen in der Schweiz den Sozialstaat untergraben würden. Der bereits erwähnte Seniorenatlas macht klar, dass die Ausländer und Ausländerinnen, die einen Anteil von rund zwanzig Prozent an der Bevölkerung haben, nur vier Prozent der Alten ausmachen. Viele GastarbeiterInnen kehren nach der Pensionierung in ihre Heimat zurück, andere pendeln zwischen den Kindern, die meistens hier bleiben, und Zuhause hin und her.

Einige der Beitragenden in diesem Magazin haben am Nationalfonds Projekt «Alter/Vieillesse/Anziani» mitgearbeitet, das seit 1992 auf breiter Basis unsere Zukunft ausleuchtet. Wo immer sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Älterwerden auseinandersetzen, sind Grundlagenforschung und praktische Vermittlung nahe beisammen. Aus diesem Grund existiert seit dem letzten Herbst an der Universität Zürich auch ein Zentrum für Gerontologie. Bis jetzt nur mit äusserst kargen Mitteln ausgestattet – das Sekretariat führen Seniorinnen und Senioren unentgeldlich –, will dieses Zentrum ältere Menschen mobilisieren, an Untersuchungen teilzunehmen, Wissenschaftler zu Altersforschung anstiften und wo immer möglich, Öffentlichkeitsarbeit leisten. An Arbeitsthemen fehlt es den InititantInnen nicht, jetzt müssen Sponsoren her, damit gezielt Projekte unterstützt werden können.

«Züri West»- Sänger Kuno Lauener möchte mit seiner Liebe alt, fett und glücklich werden. Wie wir gut ins Alter kommen und zufrieden, ist in diesem Heft nachzulesen. Und auch, dass wir dafür nicht auch noch Kilos zulegen müssen.


* Seniorenatlas der Schweiz. Hg. : «Centre interfacultaire de gèrontologie» der Universität Genf im Auftrag des Bundesamtes für Statistik (BSF).


unipressedienstunimagazin Nr. 3/97


unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 17.04.99