Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Im Dialog zur Kooperation

 

Bild (8797 Bytes)Gewöhnlich haben eine Technische Hochschule und eine Volluniversität wenig miteinander zu tun. In Zürich ist das anders. Von Anfang an waren die etwas ältere Universität und die ETH in einer Art «Wahlverwandtschaft» verbunden. Beide konnten sich der gegenseitigen Anziehungskraft nicht entziehen: Im Schnittpunkt der unterschiedlichen Kräfte von Bund und Kanton begannen sie zu prosperieren. Äusserlich sichtbar an der gut nachbarschaftlichen Zweisamkeit von ETH-Kuppel und Universitäts-Turm, die auch prägend auf Zürichs Stadtbild wirken. Innerlich erlebbar an den gemeinsamen Professuren, Lehrveranstaltungen, Forschungspartnerschaften, Instituten sowie den neuen Kompetenzzentren. Jede Hochschule hat dabei ihre je eigene Identität beibehalten – mit nationaler und internationaler Ausstrahlungskraft.

Trotz allem Wandel ist das als Kontinuität so geblieben. Dabei haben égalité und élite einander nie ausgeschlossen. Ein Student namens Albert Einstein hat an der ETH Mathematik und Physik studiert und an der Universität promoviert. Nach einem Ausflug nach Bern kehrte er wieder nach Zürich zurück. Zuerst an die Universität als Professor für Physik und – nach einem Zwischenspiel in Prag – als Professor an die ETH. Einstein war nicht der einzige Wanderer zwischen den beiden Hochschulen. Bekannte und Unbekannte taten es ihm gleich – bis heute. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Manche beginnen ihren Weg an der einen Hochschule und setzen ihn – nach Abstechern ins Ausland – an der benachbarten fort.

Im Gewöhnlichen zeigt sich auch immer wieder das Aussergewöhnliche. Beide Hochschulen hatten abwechselnd ihre Nobelpreisträger, in den 90er Jahren je einen – in der Chemie und in der Medizin. Mittelmass war daher nie das Mass aller Dinge. Gleichzeitig praktizierten beide Hochschulen seit je eine Kultur der Offenheit. Immer mehr begabte junge Menschen aus allen sozialen Schichten und Ländern fanden Zugang. Diese Pluralität kreiert eine Atmosphäre des Lernens, Lehrens und Forschens, die herausragende Leistungen begünstigt.

Ungewöhnlich scheint die «Wahlverwandtschaft» der beiden Hochschulen trotzdem. Dort eine eher technische, hier eine eher literarisch-künstlerische Kultur; dort eine eher zentralistisch, hier eine eher föderalistisch organisierte Hochschule; dort eine eidgenössische, hier eine kantonale Hochschule. In dieser Differenz gibt es Raum und Zeit für Gemeinsames wie Komplementäres. Beide Hochschulen bieten ein naturwissenschaftliches, mathematisches Fächerspektrum: an der Universität kommt es auch den medizinisch-biologischen, an der ETH allen technischen Wissenschaften zugute. Beide bieten geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer: an der Universität in aller Breite und Tiefe als Vollstudium, an der ETH als ergänzendes Lehrangebot für Ingenieur- und Naturwissenschafter.

Zwei Hochschulen, zwei oder gleich mehrere Kulturen. Wären da nicht Menschen mit gemeinsamen Interessen und wäre da nicht der Dialog. Im Dialog zwischen den Menschen verschiedener akademischer Kulturen, verschiedener Organisationsstrukturen zeigt sich das Interesse von Menschen aneinander. Im Dialog kommen Personen, kommt die Welt zum Vorschein und entstehen Partnerschaften. Im Dialog der Verschiedenen wird Wirklichkeit erfasst und Welt gestaltet.

Der Dialog zwischen der Universität und der ETH setzt das Verschiedenseinlassen des Verschiedenen und vor allem Vertrauen voraus. Kooperationen kann man daher kaum durch einen Gewaltakt erzwingen. Kooperationen müssen sich zwischen gleichwertigen Partnern entwickeln können. Sicher gibt es das nüchterne Kalkül einer Partnerschaft, wenn beide Aussicht auf einen Gewinn haben. Aber genügt das? Muss nicht auch das Zwischenmenschliche, das Atmosphärische stimmen?

Dieses bereits vierte gemeinsame Magazin der beiden Pressedienste ist Ausdruck dieses Dialogs. Angesichts der Vielfalt und Breite des institutionalisierten Angebots und der Möglichkeit offizieller und inoffizieller spontaner Partnerschaften muss der Einblick in die Kooperationen beider Hochschulen unvollständig bleiben. Wir waren bestrebt, bei der Entdeckungsreise durch Gemeinsamkeiten beider Hochschulen möglichst viele verschiedene Formen der Zusammenarbeit aufzuzeigen. (Internet-Adresse des Berichts: http://www.aoa.ethz.ch/info/uni-ethz-97.html)

In einem dialogischen Akt sind auch die Illustrationen zu diesem Magazin entstanden. Das Denken, da im wesentlichen unsichtbar, lässt sich an seinen Spuren sinnlich wahrnehmen. Nadja Athanasiou hat Orte des Denkens an beiden Hochschulen aufgesucht und ist den wissenschaftlichen, technischen Spuren in Innen- und Aussenräumen nachgegangen. Aus der logischen, intuitiven und assoziativen Verknüpfung von Eindrücken hat sie den wissenschaftlichen Prozess metaphorisch ins Bild gesetzt.

Beide Hochschulen werden künftig noch intensiver gemeinsame Wege gehen. Eine gute Voraussetzung, der Zukunft zu begegnen.

Heini Ringger, Martina Märki


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98