Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Virtual Reality für Gesichtschirurgie

Face 1(9447 Byte) Face 2 (9163 Byte) Ein Mann erhält ein neues Aussehen.
Links: Schädelknochen und Gesichtsgeometrie vor dem Eingriff.
Rechts: Gleiche Ansicht nach Repositionierung des Unterkiefers.

Die moderne Kiefer- und Gesichtschirurgie vollbringt grossartige Leistungen und stellt daher höchste Anforderungen an die chirurgische Präzision. Zu ihrer Palette zählen eine Vielzahl komplexer Eingriffe im Bereich des menschlichen Gesichts, wie sie beispielsweise im Zuge von Gesichtsrekonstruktionen bei angeborenen Missbildungen, nach Unfällen oder bei Tumoroperationen erforderlich sein können. In den meisten Fällen werden dabei in einer aufwendigen, mehrstündigen Prozedur Teile des Schädelknochens und des Gesichtsgewebes entfernt, repositioniert oder durch geeignete Implantate ergänzt. Ziel ist es dabei, unter vorgegebenen medizinischen Randbedingungen eine möglichst ästhetische Rekonstruktion des Gesichts zu erreichen.

Umgekehrt ist für den Patienten im Vorfeld eines Eingriffs das Wissen um sein postoperatives Aussehen ein entscheidendes Faktum, dessen sorgfältige Abklärung dazu beiträgt, verständliche Ängste und Unsicherheiten auszuräumen. Aus diesem Grund ist es gängige Praxis, entsprechende Skizzen des zu erwartenden Gesichtsprofils, zum Teil mit Hilfe eines Zeichners, anzufertigen, welche dann als Grundlage zur Operationsplanung herangezogen und mit dem Patienten besprochen werden. Die so erstellten Profilbilder vermitteln jedoch nur einen sehr eingeschränkten Eindruck der zu erwartenden Gesichtsform. Daher besteht sowohl von ärztlicher als auch von Patientenseite der dringende Bedarf nach einem System, welches eine interaktive Operationsplanung am Computer erlaubt und dreidimensionale, realistische Bilder der postoperativen Gesichtsgeometrie des Patienten berechnet.

Interaktive Operation am Bildschirm

Mit diesem Ziel wurde das Forschungsprojekt FACE initiiert. Hierbei werden über einen Zeitraum von fünf Jahren ein Messsystem und ein Simulator für gesichtschirurgische Eingriffe am Menschen entwickelt. Der Ablauf einer derartigen Simulation ist wie folgt geplant: Im Vorfeld der Operation werden zunächst die erforderlichen Patientendaten mittels Verfahren der medizinischen Bildgebung (CT, MRI) erfasst sowie die Gesichtsgeometrie hochgenau unter Verwendung von CCD Kameraaufnahmen und Verfahren der automatischen digitalen Photogrammetrie vermessen. Hieraus lässt sich ein dreidimensionales, physikalischbasiertes Gesichtsmodell, bestehend aus Schädelknochen, Gesichtsoberfläche und unterliegenden Gewebsschichten, rekonstruieren, auf dessen Grundlage der Chirurg die Operation interaktiv vor dem Computerbildschirm durchführt. Spezielle Eingabegeräte (force feedback) synthetisieren dabei eine Kraftrückkopplung und vermitteln so die für den Chirurgen essentielle taktile Information, wobei ein Finite-Elemente-Modell (FEM) die aus dem Eingriff resultierenden Deformationsfelder bestimmt. Entsprechende Visualisierungsmethoden ermöglichen schliesslich die Generierung realistischer Bilder aus beliebigen Blickrichtungen und somit eine Prognose der zu erwartenden Gesichtsform. Innerhalb erster Vorstudien wurde bereits die Machbarkeit des Vorhabens anhand des Visible Human Datensatzes (siehe Bild) nachgewiesen. Das Vorhaben zeigt, wie die Synergien interdisziplinärer Kooperationen erfolgreich zur Realisierung komplexer Anwendungsszenarien genutzt werden können.

Markus Gross


Innerhalb des interdisziplinären Forschungsprojektes «High Accuracy Face Measurement and Finite Element Modeling for Facial Surgery Simulation» (FACE) kooperieren die Forschungsgruppen von Professor Hermann Sailer, Departement für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsspitals Zürich, Professor Markus Gross, Departement Informatik der ETH Zürich, sowie Professor Armin Grün, Photogrammetrie, Departement Geodätische Wissenschaften, ebenfalls der ETH, fachübergreifend mit dem gemeinsamen Ziel, ein Messsystem und einen Simulator für gesichtschirurgische Eingriffe zu entwickeln. Das Forschungsprojekt wird seit dem 1. Mai 1997 vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert. Projektleiter ist Markus Gross.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98