Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Magnetische Felder und das Hirn

Messversuch (24729 Byte)Vorbereitung eines Messversuchs im EEG-Labor der Neurologischen Universitätsklinik. Die von der ETH gebaute Helmholtz-Spule wird über den Kopf eines Epilepsie-Patienten «gestülpt» und das EEG des Patienten wird mittels intrakranieller Elektroden, die direkt vom Epilepsieherd ableiten, gemessen.

Die Untersuchung des Einflusses schwacher magnetischer Felder auf das Elektroenzephalogramm des Menschen profitiert von der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen der Neurologischen Klinik, Abteilung Epileptologie und EEG des Universitätsspitals Zürich, dem Institut für Höchstfrequenz und dem Institut für Geophysik der ETH Zürich. Ziel dieses Projektes ist es, die Einflüsse schwacher magnetischer Felder auf das menschliche Hirn zu erforschen.

Konkret wird die Möglichkeit untersucht, ob und wie man bei schwer epilepsiekranken Patienten gezielt Epilepsieanfälle auslösen kann. Dieses bei erster Betrachtung widersinnige Ziel ist bei näherer Betrachtung durchaus sinnvoll und erstrebenswert.

Es gibt Epilepsiekranke, denen mit antiepileptischen Medikamenten nicht geholfen werden kann. In solchen Fällen sollte die Möglichkeit einer operativen Epilepsiebehandlung geprüft werden. Dabei wird das Hirnareal, das die Anfälle verursacht, nach genauen Abklärungen operativ entfernt. Häufig ist der «Epilepsieherd» im Schläfelappen, genauer im Hippocampus einer Seite, zu finden.

Für die entsprechenden Vorabklärungen muss der Patient hospitalisiert werden. Nicht selten sind direkte Ableitungen vom Gehirn nötig, das heisst, in einer kleinen Operation werden EEG-Ableiteelektroden durch Schädelöffnungen an den entsprechenden Hirnteil herangebracht. Anschliessend an diese Operation werden das «Tiefen-EEG» und das klinische Verhalten des Patienten mittels aufwendiger Technik (telemetrische Langzeitableitungen) ständig überwacht und registriert, bis mindestens zwei epileptische Anfälle aufgezeichnet werden können, welche zur Charakterisierung des Epilepsieherdes notwendig sind.

Die Zeit zwischen der Implantation der Elektroden und dem erfolgreichen Aufzeichnen zweier epileptischer Anfälle kann bis zu zwei Wochen dauern (in Extremfällen sogar noch länger). Dies ist für den Patienten belastend und kostspielig. Deshalb besteht der Wunsch, diese Zeitspanne zu verkürzen, um einerseits dem Patienten die Leiden zu verkürzen, und andererseits, um Kosten zu senken.

Genau da setzt das Projekt an: Vorgängige Studien haben nämlich gezeigt, dass sich im menschlichen Gehirn magnetische Mineralien befinden. Mittels einer eigens entwickelten Spule (Helmholtz-Spule, 4 mTesla, homogenes Feld) wird um den Patienten ein schwaches Magnetfeld aufgebaut (100mal stärker als das Erdmagnetfeld, etwa 400mal schwächer als MRI). In ausgeklügelten Versuchen werden dessen Auswirkungen auf die Hirnströme des Patienten gemessen. Unsere bisher gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass schwache magnetische Felder die Hirnströme der Patienten signifikant beeinflussen.

Anhand dieser Messungen sowie der Analyse von Gewebeproben, die bei den Epilepsieoperationen entnommen werden, versuchen wir Modelle zu erstellen, um die Auswirkungen magnetischer Felder auf das menschliche Gehirn besser verstehen zu können. Insbesondere interessiert die Frage, ob und wie man magnetische Felder als Diagnose-Hilfsmittel einsetzen kann, um die Lokalisation des Epilepsieherdes verbessern zu können. Eine weitere wichtige, aber derzeit noch ungeklärte Frage ist, ob und wie weit die bei Anfallskranken gefundenen Resultate auch bei gesunden Menschen Gültigkeit haben. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes sind demnach auch im Rahmen der von der Öffentlichkeit besonders aufmerksam verfolgten «Elektrosmog-Diskussion» von grossem Interesse. Heinz-Gregor Wieser,

Paola P. Schultheiss-Grassi


Das Team: Professor H. G. Wieser, Neurologische Klinik, Abteilung Epileptologie und EEG, Universitätsspital Zürich; Professor N. Kuster, Institut für Höchstfrequenz ETHZ; Professor W. Lowrie, Professor F. Heller, Dr. J. Dobson und P. P. Schultheiss-Grassi, Institut für Geophysik ETHZ.


unipressedienstunimagazin Nr. 3/97


unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98