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Eingriff ins Hirn von innen

Mit einem Mikrokatheter von der Leiste zur Hirnbasis. Neueste Behandlungsmethoden auf dem Gebiet der interventionellen Neuroradiologie zeigen grosse Erfolge.

VON ANTON VALAVANIS

Abbildung 1:
3D-Magnetresonanzuntersuchung der Hirngefässe mit Darstellung eines Hirngefässaneurysma.

Das Fachgebiet der Neuroradiologie setzt sich aus zwei Teilgebieten zusammen, der diagnostischen und der interventionellen Neuroradiologie. Während die diagnostische Neuroradiologie bildgebende Verfahren – darunter vor allem Methoden der Magnetresonanz – zur Erkennung und Charakterisierung von Erkrankungen des Zentralnervensystems und zur Erforschung der Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns einsetzt, wendet die interventionelle Neuroradiologie Kathetermethoden an, um vor allem Gefässerkrankungen des Gehirns, ohne chirurgische Schädeleröffnung, zu behandeln.

Die Entwicklung der interventionellen Neuroradiologie begann am Universitätsspital Zürich Anfang der achtziger Jahre. Sie wurde durch ein gutes Forschungs- und Zusammenarbeitsklima auf dem Gebiet der Neuromedizin begünstigt. So konnte die Methode Hand in Hand mit der Mikroneurochirurgie und der Schädelbasischirurgie ausgebaut werden. Heute sind diese Gebiete eng miteinander verflochten und in ihrer Anwendung am Patienten aufeinander angewiesen. Dieses interdisziplinäre Konzept auf dem Gebiet der klinischen Neuromedizin in Zürich hat heute international Modellcharakter.

Gefässverschliessende und gefässöffnende Verfahren

Bei den Eingriffen der interventionellen Neuroradiologie werden spezielle Mikrokatheter mit einem Durchmesser von 0,1 bis 0,5 mm von der Leiste aus in das Gefässsystem eingeführt und unter Röntgendurchleuchtungskontrolle über die grossen Körper- und Halsadern bis zur Hirnbasis vorgeschoben. Von hier aus werden sie durch Mikromanipulation durch das komplexe und feine Hirngefässsystem bis zum Krankheitsherd vorgeschoben. Am Ziel angelangt, erfolgt die eigentliche Behandlung durch Injektion geeigneter Biomaterialien oder Medikamente.

Dabei kommen bei der interventionellen Neuroradiologie vor allem gefässverschliessende und gefässeröffnende Verfahren zur Anwendung.

Mit gefässverschliessenden Verfahren (Embolisation) werden vorwiegend Gefässmissbildungen und Hirnaneurysmen ausgeschaltet. Eine drohende Blutungsgefahr kann so beseitigt, akute Blutungen aus Hirn- und Halsgefässen notfallmässig gestillt und gefässreiche Geschwülste durch Verschluss der versorgenden Gefässe – im Hinblick auf ihre operative Entfernung oder zur Wachstumshemmung – blutleer gemacht werden.

Mit gefässeröffnenden Verfahren (Rekanalisation) werden die Hirndurchblutung beeinträchtigende Einengungen von Hals- und Hirngefässen verschiedenster Ursache (vor allem Arteriosklerose) mit Hilfe von Mikroballons, gefässerweiternden Medikamenten oder Gefässendoprothesen (Stents) behoben. Akute, lebensbedrohliche Gefässverschlüsse (Hirnschlag) können durch gezielte Katheterapplikation von pfropfauflösenden Medikamenten geöffnet werden (Fibrinolyse).

Einen aktuellen Schwerpunkt der interventionellen Neuroradiologie stellt die endovaskuläre Behandlung von Hirnaneurysmen mit der neuentwickelten Methode der Elektrothrombose dar. Hirnaneurysmen sind sackförmige Ausstülpungen der Wand von Hirngefässen, welche aus einer angeborenen oder erworbenen Wandschwäche, bei genetischer Prädisposition, entstehen.

Es handelt sich um eine in ihrer Häufigkeit unterschätzte Krankheit, welche bei rund 2% der Bevölkerung vorkommt, ohne dass die Träger davon wissen. Bei etwa 15 Personen pro 100 000 Einwohner pro Jahr kommt es durch Einreissen der dünnen Aneurysmawand zu einer Hirnblutung, welche in bis zu 50% der Fälle tödlich verlaufen und in 30% der Fälle bleibende neurologische Schäden hinterlassen kann.

Dank der modernen bildgebenden Verfahren der Neuroradiologie, wie dreidimensionale Computertomographie und Magnetresonanz, werden Hirnaneurysmen heute vermehrt entdeckt, bevor sie zur Hirnblutung geführt haben. Für deren vorbeugende Behandlung gelangt immer häufiger die interventionelle Neuroradiologie als Alternative zur offenen neurochirurgischen Behandlung zur Anwendung.

Dabei wird das Aneurysma mit einem Spezialmikrokatheter von der Leiste aus unter Durchleuchtungskontrolle sondiert und anschliessend mittels feinsten Platinumdrähten und unter Applikation von elektrischem Strom (Elektrothrombose) verstopft.

Diese in Zusammenarbeit mit der Abteilung für interventionelle Neuroradiologie der University of California in Los Angeles und mit der medizinischen Industrie entwickelte Behandlungsmethode gewinnt immer mehr an Bedeutung. Am Universitätsspital Zürich wurden bereits zweihundertfünfzig Patienten so behandelt, und die mittelfristigen Ergebnisse zeigen die Effizienz der Methode an.
Abbildung 2: Katheter-Angiographie mit Darstellung des Aneurysma zu Beginn des Eingriffes (links) und am Ende des Eingriffes:
Das Aneurysma ist vollständig ausgeschaltet (rechts).


Dr. med. Anton Valavanis ist ordentlicher Professor für Neuroradiologie an der Universität Zürich.



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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Daniel Bisig (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 14.10.98